Packaging
Psychology

01 -Klient

Persönliches Projekt (Masterthese)

02 -Aufgaben

Psychologische Recherche, Studienentwicklung, Studiendurchführung, statistische Analyse, Forschungs-Auswertung, Produktentwicklung, Produktion, Design, Fotografie

03 -Projekt

F ür meine Masterthese untersuchte ich den psychologischen Effekt von Verpackungsdesign auf Konsumentenverhalten. Da meine Supervisorin aus dem Environmental Department kam, kam ich absolut unabhängig auf die eigenständige Idee, mich spezifisch auf Recycling-Verhalten zu konzentrieren.

04 -Analyse

J eder Bürger der Europäischen Union produziert pro Jahr 160 kg Verpackungsmüll. Multipliziert mit allen Menschen in der EU landen wir damit bei über 81 Milliarden Kilogramm Verpackungsmüll, und das jedes Jahr auf's Neue (Eurostat, 2016).
Eine Möglichkeit, die massiven Folgen von Verpackung auf die Umwelt zu reduzieren, ist Recycling. Obwohl eine breite Masse der Bevölkerung Recycling befürwortet, werden gute Vorsätze und Intentionen oft nicht in die Praxis umgesetzt (z.B. Buelow, Lewis & Sonneveld, 2010).

Ich untersuchte, ob das Problem selbst in eine Lösung verwandelt werden kann: Indem Verpackung selbst Konsumenten davon überzeugt, ebenjene Verpackung zu recyceln, könnte die Verpackung das Problem, das sie hervorruft, selbst lindern.

Bisher gibt es nur wenige psychologische Studien, die den Effekt von Verpackungsdesign auf Recycling untersuchten. Insbesondere gibt es nach dem Wissensstand meiner Fakultät keine einzige Studie, die tatsächliches Recycling-Verhalten mit realistischem Verpackungsdesign getestet hat!
Bestehende Forschung stützt sich vor allem auf Selbstbeurteilungs-Fragebögen oder auf Laborstudien. Das Problem dabei ist, dass Versuchsteilnehmer ihre Antworten in Fragebögen gerne beschönigen, um sich in einem positiveren Licht darzustellen (“Wie oft recyceln sie?” - “Immer!”), und dass erfolgreiche Laborstudien oftmals nicht auf den Alltag generalisiert werden können. Die Aussagekraft solcher Studien, und damit die Verlässlichkeit der gefundenen Effekte, ist daher eher mäßig.

Meine These füllt als erste wissenschaftliche Arbeit diese Lücke, indem ich reale Verpackungen im echten Leben testete und verdeckt tatsächliches Verhalten analysierte und auswertete.

Ein zweites Problem umweltbewusster Ansätze ist, dass Umweltfreundlichkeit nicht immer positiv bewertet wird. Studien (z. B. Steenis et al., 2016, Pancer et al., 2015, Newman et al., 2014) zeigen, dass umweltfreundliche Produkte als teurer, weniger effektiv, und qualitativ schlechter wahrgenommen werden. Newman und Kollegen (2014) erklären dieses Phänomen damit, dass Konsumenten ihre Beurteilung von Produkten auf eine "Theorie begrenzter Ressourcen" stützen: Firmen, so die Auffassung, können nur eine begrenzte Anzahl Ressourcen in die Entwicklung eines Produkts investieren. Setzen sie dabei einen Schwerpunkt auf Umweltfreundlichkeit, gehen Kunden davon aus, dass Ressourcen von Qualität oder Geschmack abgezweigt wurden - das Ergebnis ist ein Produkt, das theoretisch vielleicht die Welt retten könnte, praktisch aber nicht gekauft und genutzt wird.

Die Konsequenz ist, dass viele Unternehmen - z. B. Ikea und Coca Cola - ihre umweltbewussten Bemühungen sogar verschweigen, da diese ihrem Brand-Image schaden könnten. Für die vorliegenden Studien stellte ich die Hypothese auf, dass umweltbewusste Eigenschaften, die das Brand-Image nicht verändern (das heißt, das globale Design nur ergänzen statt elementare Elemente zu ersetzen), keinen negativen Effekt auf Produktbewertung und Kauf-Intention haben.

05 -Studie 1

B asierend auf einem realen Produkt (einem Optimel Joghurt-Drink), und mit Anregungen von Designern der Universität Twente, entwickelte ich verschiedene Verpackungsdesigns, die zum Recyceln anregen sollten. Dabei wurden verschiedene Ansätze verwendet, zum Beispiel: Recycling-Symbole, Informationen zu den Folgen von Plastikmüll auf der Rückseite der Flasche, grüne Farbgebung, die Assoziationen zu Natur und Umwelt weckt, und ein transparenter Streifen auf der Rückseite der Flasche, der einerseits den Lebenszyklus einer ordnungsgemäß recycelten Plastikflasche aufzeigt, andererseits eine sogenannte "Descriptive Norm" darstellte: Der Lebenszyklus zeigt auf, wie andere Konsumenten normalerweise mit der Flasche umgehen und welche Vorgehensweise allgemein erwünscht ist.

Soziale Normen haben einen starken Effekt auf menschliches Verhalten: Einerseits, weil wir uns nicht konträr zu gesellschaftlichen Regeln und Erwartungen verhalten wollen, da das zu Ablehnung oder zum Ausschluss aus der Gemeinschaft führen kann; andererseits, weil soziale Normen uns mentale Shortcuts bieten: Normen stellen Indikatoren dar, welche Handlungsweisen in einer jeweiligen Situation normal oder angemessen sind - und ermöglichen es uns so, schnell zu handeln, ohne lange und bewusst nachdenken zu müssen.
Ich stellte die Hypothese auf, dass die neu entwickelten Verpackungs-Eigenschaften, insbesondere die Normen des transparenten Streifens, Konsumenten zu mehr Recycling anregen würden.

Studie 1 diente als Pilotstudie: In einer Online-Studie bewerteten Teilnehmer in zufälliger Reihenfolge alle Verpackungsdesigns, inklusive des Originaldesigns. Anschließend wertete ich die Studiendaten im Hinblick auf zwei Gesichtspunkte aus: einerseits, welches Design den stärksten Effekt auf Konsumenten ausübte, andererseits, ob überhaupt ein Effekt existierte. Ich testete mehrere Variablen, unter anderem Kauf-Intention, Produktbewertung, Designbewertung und Recycling-Intention.

06 -Ergebnisse Studie 1

D ie Ergebnisse zeigen, dass drei von vier der umweltbewussten Produkte signifikant höhere Recycling-Intentionen hervorriefen als das Original-Produkt. Die Kombination aus transparentem Normen-Streifen und grüner Farbgebung erzielte die besten Ergebnisse. Diese Variante wurde zudem im Bereich Design und Kauf-Intention signifikant höher bewertet als das Original-Produkt.

07 -Studie 2

N achdem die Pilot-Studie gezeigt hatte, dass Verpackungsdesign in der Tat Recycling beeinflussen kann, sollte die Hauptstudie meiner These nun tatsächliches Verhalten in einer Feldstudie testen. Dazu produzierte ich selbstständig eine täuschend echte Verpackung, erneut basierend auf einem realen Produkt (diesmal einem Albert Heijn Smoothie). Basierend auf dem Original-Produkt und den Ergebnissen der ersten Studie entwickelte ich ein Etikett mit dem gleichen transparenten Normen-Streifen, fügte Recycling-Instruktionen auf der Rückseite hinzu, und gab dem gesamten Produkt einen grünen Hintergrund mit leicht angedeuteten Umweltmotiven. Ich recherchierte eine Druckerei in Köln, die eine Druckmaschine für uns umrüstete, um die Etiketten mit sowohl deckenden als auch transparenten Abschnitten qualitativ hochwertig drucken zu können. Ich fand eine Firma in Osteuropa, die grüne Deckel in der richtigen Größe und kleiner Stückzahl herstellte, und meine Forschungsassistentin (danke, Ana!) und ich verbrachten Tage damit, neue Flaschen zu basteln. Das Endergebnis waren von der Originalverpackung nicht zu unterscheidende Recycling-Smoothies, und unter 108 Versuchsteilnehmern schöpfte nur ein einziger Teilnehmer Verdacht, dass die Verpackung manipuliert war. 

Um tatsächliches Recycling-Verhalten testen zu können, mussten wir unsere Versuchsteilnehmer manipulieren. Ein "Social Desirability-Bias" und der "Hawthorne Effekt" führen dazu, dass Teilnehmer in dem Wissen, beobachtet und bewertet zu werden, sich anders verhalten als unter normalen, alltäglichen Bedingungen. Wären sich die Teilnehmer des Studienziels bewusst gewesen, wäre anzunehmen gewesen, dass sie absichtlich recyceln würden, um einen guten Eindruck zu machen.

Als Lösung des Problems logen wir: Ich schrieb meine Studie (in Absprache mit dem Ethics Committee) als Studie zum Thema Fernseh- und Essverhalten aus, und instruierte die Teilnehmer, einen neutralen Videoclip anzusehen und dabei unser Produkt zu konsumieren. Die Teilnehmer sollten alle zwei Minuten den Füllstand ihres Getränks angeben (dadurch stellten wir sicher, dass sie die Flasche, und damit das Design, betrachteten), und anschließend einen Fragebogen zu ihrem Fernseh- und Essverhalten ausfüllen. Der Fragebogen war irrelevant und diente nur zur Ablenkung, enthielt aber auch zwei versteckte Fragen zur Produktbewertung und Kauf-Intention. Anschließend wurden die Teilnehmer entlassen und gebeten, ihren “Müll” - die nun leere Verpackung - auf dem Weg wegzuwerfen.
Die Studie wurde am Ende eines langen Ganges mit nur einem Ausgang durchgeführt. Am Ausgang standen "zufällig" sowohl ein normaler Mülleimer als auch Recycling-Mülleimer. Die Teilnehmer liefen zwangsläufig an diesen Mülleimern vorbei und konnten wählen, wie sie ihren Verpackungsmüll entsorgen. Wir beobachten die Teilnehmer verdeckt bei ihrer Wahl und notierten das Ergebnis.

08 -Ergebnisse Studie 2

D as Ergebnis war ernüchternd. Zwar verzeichneten wir einen Anstieg von 11% in Recycling-Raten für unser umweltfreundliches Produkt, allerdings war der Effekt im Ganzen statistisch nicht signifikant. Produktbewertung und Kauf-Intention lagen leicht über den Bewertungen des Original-Produkts, aber die signifikant höheren Bewertungen der Pilotstudie konnten nicht reproduziert werden. Insgesamt widerspricht meine Feldstudie bisheriger Forschung (z. B. Steenis et al., 2016, Pancer et al., 2015, Newman et al., 2014), dass umweltfreundliche Verpackung einen negativen Effekt auf Produktbewertung und Kauf-Intention hat. Allerdings werden diese Bewertungen durch umweltfreundliches Design auch nicht signifikant verbessert, sondern entsprechen Bewertungen des Original-Designs. Der bisher von Studien vorgeschlagene Effekt, dass Verpackung Recycling-Verhalten beeinflussen kann, konnte mit den bisher erforschten Ansätzen nicht erzielt werden.

09 -Studie 3

M eine zweite Studie warf eine wichtige Frage auf: War das nichtsignifikante Ergebnis darauf zurückzuführen, dass eine Diskrepanz zwischen Recycling-Intention und tatsächlichem Recycling-Verhalten besteht, oder darauf, dass ich unterschiedliche Produkte verwendet hatte?
Einen Monat vor Thesen-Abgabe entschied ich mich daher, eine dritte Studie durchzuführen. Ich reproduzierte Studie 1, online, diesmal allerdings mit den Produkten aus Studie 2, und drückte sämtliche Daumen, die ich finden konnte.

10 -Ergebnisse Studie 3

S tudie 3 zeigte erneut signifikant höhere Recycling-Intentionen für das umweltfreundliche Design. Damit erzielten zwei von mir entwickelte umweltfreundliche Designvarianten in zwei unterschiedlichen Studien einen signifikanten Effekt. Dieser Effekt konnte jedoch nicht in meiner Studie zu tatsächlichem Verhalten reproduziert werden. Meine Studien deuten daher insgesamt darauf hin, dass Produktdesign explizit differenzieren muss zwischen dem Effekt von Verpackungsdesign auf Recycling-Intention, und dem Effekt auf tatsächliches Recycling-Verhalten im Alltag.


11 -Diskussion

J eder Wissenschaftler wird beteuern, dass auch ein nichtsignifikantes Ergebnis ein wichtiges Ergebnis ist. Keinen Effekt zu finden ist ein wichtiger Indikator dafür, dass Studien oder Stimuli weiter optimiert oder verändert werden müssen, dass Hypothesen überdacht werden sollten, oder dass vielleicht einfach kein Effekt existiert. Aber insgeheim, wenn niemand zuguckt, wird der gleiche Wissenschaftler frustriert grummelnd seinen Kopf gegen eine Wand hämmern und den Gott der Wissenschaft verfluchen.

Die Ergebnisse meiner These sind Grummel-induzierend, aber gerade wegen des fehlenden Effekts wichtig: Als erste Studie ihrer Art testete meine Feldstudie tatsächliches Verhalten in einem Alltags-Setting - und konnte den Effekt, den Selbstbeurteilungs-Fragebögen und Labor-Studien mehrfach gefunden hatten, nicht reproduzieren. Wie erwähnt, besteht bisherige Forschung in diesem Bereich ausschließlich aus genau solchen Fragebögen und Labor-Settings - und dennoch versuchen die Autoren, ihre Ergebnisse auf die Praxis, den Alltag, das echte Leben zu übertragen. Meine Arbeit zeigt nun, dass das tendenziell nicht möglich ist.

Dass es eine Diskrepanz zwischen Intention und tatsächlichem Verhalten gibt, und dass diese Diskrepanz bisher nicht bedacht wird, ist eine für Produktentwicklungen wahnsinnig wichtige Erkenntnis. Denn es zeigt, dass Forscher und Unternehmen, die Theorien und Interventionen auf der bisherigen Prämisse basieren, dass Recycling-Intention mit Verhalten gleichgesetzt werden kann, möglicherweise auf ein komplett falsches Pferd setzen.

Eine Firma, die viel Geld in ein umweltfreundliches Produkt steckt, oder ein Forscher, der weitere Forschungen auf dem Ansatz aufbaut, dass Online- und Laborstudien auch das echte Leben widerspiegeln, laufen Gefahr, viel Zeit, Geld und Mühe in eine Vorgehensweise zu investieren, die in der Praxis nicht bestehen kann.

Als erste ihrer Art zeigt meine Master-These daher, dass Verpackungsdesign unbedingt in realistischen Settings getestet werden muss, egal wie schwer das zu bewerkstelligen sein mag. Nur so kann externe Validität gewährleistet werden, und nur so kann psychologische Forschung in diesem Bereich praxisnah Unternehmen und Wissenschaftler unterstützen, um effektiv, nachweisbar und zuverlässig Konsumenten zu erreichen.